Toni Erdmann
Maren Ade, Allemagne, 2016o
Quand Ines, femme d'affaire d'une grande société allemande basée à Bucarest, voit son père débarquer sans prévenir, elle ne cache pas son exaspération. Sa vie parfaitement organisée ne souffre pas le moindre désordre mais lorsque son père lui pose la question de savoir si elle est heureuse, son incapacité à répondre marque le début d'un bouleversement profond. Ce père encombrant et dont elle a honte fait tout pour l'aider à retrouver un sens à sa vie en s'inventant un personnage : le facétieux Toni Erdmann.
Mêlant critique sociale et chronique intimiste, portrait psychologique et récit burlesque, Maren Ande réussit un petit bijou de sensibilité qui marque un renouveau du cinéma allemand.
Gérard CrespoMaren Ade livre un long-métrage riche et farfelu comme du John Irving, intelligent et grinçant à la Martin Amis. À l'heure où le cinéma produit tant de faux billets, Toni Erdmann a l'air d'être de la monnaie d'or.
Eric NeuhoffLe triomphe à Cannes, qui ne doit surtout pas faire croire à un film consensuel, c’était tout simplement le choc de voir un chef-d’œuvre.
Stéphane DelormeMaren Ade («Alle anderen») lässt sich Zeit. Es dauert eine Weile, bis man sich auf den Rhythmus eingeschwungen hat. Dann aber vergisst man, dass der Film Überlänge hat. Dies liegt vor allem am Spiel des Österreichers Peter Simonischek und der auch von hiesigen Bühnen bekannten Sandra Hüller, die mit einer Nacktszene grossen Mut beweist. In Cannes gab es für den Film eine Standing Ovation und den International Critics Prize.
Thomas BodmerVater besucht Tochter auf Business-Trip in Bukarest und spielt dabei Rollen wie Toni Erdmann. Die eigentliche Hauptfigur in Maren Ades Cannes-Erfolg ist aber ein Hund. Der stirbt zwar schnell, aber wie er trabt ganz Film-Deutschland begeistert neben dem "Wir sind (fast) Palme"-Filme her. Was ebenso lustig ist wie der Film.
Philipp StadelmaierGalerie photoso
In Cannes war sie «la sensation allemande». Jetzt kommt die Vater-Tochter-Komödie «Toni Erdmann» von Maren Ade bei uns ins Kino.
Eigentlich hat Maren Ade erst drei Filme gedreht. Aber mit ihrem ersten reiste sie ans Sundance-Festival, der zweite erhielt an der Berlinale den Jurypreis. Den dritten, «Toni Erdmann», zeigte sie diesen Mai im Cannes-Wettbewerb, und viel weiter hinauf geht es gar nicht mehr. Sie gewann zwar nichts, aber sie war Stadtgespräch. Jene, die sie kannten, sagten: Wir haben es euch ja gesagt. Alle anderen fragten: Wer in aller Welt ist denn das? Leute, es ist Maren Ade, die 39-jährige Regisseurin und Drehbuchautorin, geboren in Karlsruhe, wohnhaft in Berlin.
Ades Spielfilme handeln davon, wie lustig wir aussehen, wenn wir den Liebesversuch wagen. Ihr Studium an der Filmschule in München schloss sie 2003 mit «Der Wald vor lauter Bäumen» ab, der Story einer Lehrerin, die keine Peinlichkeit auslässt, um mit ihrer Nachbarin Freundschaft zu schliessen. «Alle anderen» von 2009 war das Porträt eines Paars um die 30 im Urlaub auf Sardinien: eine scharf kitzelnde Studie der Entfremdung, deren Dialoge – «es ist in, ohne doof zu sein» – den Lachnerv der Generation Kreativklasse trafen.
In «Toni Erdmann» zieht Ade das Motiv des Liebesversuchs auf den grossen Zusammenhang von 68er-Eltern und ihren Kindern: Der Musiklehrer Winfried fährt zum Besuch nach Bukarest, wo seine Tochter Ines als Unternehmensberaterin ein Outsourcing-Projekt betreut, und bringt mit blöden Streichen ihren Alltag durcheinander. Er gibt sich als Personal-Coach Toni Erdmann aus, trägt Zottelperücke und ein schiefes Plastikgebiss, und die Kontaktaufnahme wird zum brutal lustigen Vater-Tochter-Battle im Faschingsgewand einer Sketchkomödie.
Es ist ein Wurf, der sitzt, weil Ade die Consulting-Sprache so präzis trifft wie die Unsinnssanftmut des Vaters. Viel Platz zum Werfen allerdings scheint Maren Ade nicht zu haben. 2001 hat sie die Firma Komplizen Film mitgegründet, für die sie Projekte von anderen produziert, inzwischen ist sie Mutter von zwei Söhnen geworden. Vor dem Treffen am Filmfest München muss sie den ersten stillen und den zweiten beruhigen, und bevor es rübergeht zum Publikumsgespräch, hat man ein wenig Zeit, um umständliche Interpretationen von «Toni Erdmann» zu formulieren, auf die Ade dann immer sagt: «Das hört sich gut an.»
Ein Schauspielerfilm
Sie hat diese geerdete Intelligenz, die vielleicht mit dem Pragmatismus des Filmproduzierens zu tun hat. Womöglich auch mit den Recherchen vor dem Dreh: Bei «Toni Erdmann» hatte sie Einblick in Beratungsfirmen, die «nicht nur Schlechtes» tun, aber manchmal von den Unternehmen vorgeschoben würden, um die Verantwortung zu «verwässern». Oder liegt es an der praktischen Arbeit mit den Schauspielern, dass ihre Klugheit nichts Verstiegenes hat? Alle ihre Filme sind Schauspielerfilme, oft lässt Ade die Szenen laufen, um noch eine Geste, einen Blick zu erhaschen. Dafür braucht sie Profis: In «Toni Erdmann» meistert der österreichische Burgschauspieler Peter Simonischek die schier unlösbare Aufgabe, überzeugend einen gemütlichen Vater zu verkörpern, der in seiner Rolle als lächerlicher Faxenzausel niemanden überzeugt. Sandra Hüller, auch sie vom Theater, schafft es wiederum, als Ines eine kühle Berufsfassade aufrechtzuerhalten und die Künstlichkeit dieser Fassade immer mitlaufen zu lassen. Wüsste man es nicht besser, müsste man sagen: Man weiss gar nicht, wie es geht.
Nur, man weiss es ja gar nicht besser. Man sieht einfach, dass es in «Toni Erdmann» Dinge gibt, die eigentlich nicht gehen. Die schreiend komischen, oft peinlichen Spässe von Toni etwa, mit denen er sich in den Job der Tochter zwischen Debriefing und Aussentermin einschaltet; wie ein riesiges Kuschel-Alien, das über seinen eigenen Blödsinn lacht. Maren Ades eigener Vater hatte auch so ein «Repertoire» des Nonsens, sagt sie, solche Plastikzähne wie im Film habe sie ihm einmal geschenkt. In «Toni Erdmann» umkreisen sich nun ein Vater und eine Tochter in ihrer Seelencamouflage. Humor und Schmerz vermischen sich, und das Ganze dauert zweidreiviertel Stunden. Auch so etwas, was eigentlich nicht geht: Die Länge sei ein «Killer», sagt Ade, normalerweise gingen Käufer an einem Festival gar nicht in solche Vorführungen. «Aber wir haben den Film verkauft, und in Cannes sind Dinge passiert, die glaube ich jetzt noch nicht.»
Erkenntnisse, die wie Splitter treffen
Vor allem war die Kritik begeistert, denn «Toni Erdmann» ist eine Komödie von offener Komplexität. Sie ist munitioniert mit Erkenntnissen über zwei Generationen, die wie Splitter treffen: sei es die emphatische Menschlichkeit des Vaters, die in Ines’ Expats-Blase im internationalisierten Bukarest ins Leere läuft; sei es sein Desinteresse an Ines’ Job, aus dem er sie herauslocken will und in dessen Abgründe sie ihn dann mit eigener kluger Härte hineintappen lässt. Oder sei es Ines, die viele Zumutungen ihres Berufs schluckt, hart taktiert vor der Kundenpräsentation oder Burschenwitze reisst, damit sie im Büro als Frau unter Männern dazugehört.
Die Gegenüberstellung ist eine Konzeption: Vom Vater, der den Kapitalismus abgelehnt hat, zur Tochter, die im Kapitalismus arbeitet, sieht Ade durchaus eine «Weiterentwicklung»: Auf den 68er-Ruf nach Umsturz und Fantasie antwortete das System mit der Vereinnahmung der ganzen Person und all ihren Energien – weshalb diese Berater noch Tonis struppigste Störaktion in ihre Networking-Apéros integrieren und glätten können zum kreativen neoliberalen «challenge». Aber sowohl Winfried wie Ines merken, dass «ihre Wertesysteme ins Stocken kommen», so Ade. Also versuche sie, «untendrunter», in den konkreten Szenen, «Komplizierteres oder Gegenläufiges» hineinzugeben.
Das Kino als offener Raum
Dann befreien sich die Figuren, und die Absichten kommen ins Schweben. Bis man nicht mehr voraussehen kann, was als Nächstes geschieht, und der Film eine Leichtigkeit kriegt, als beginne er selbst zu spielen. Sie mache gar nicht die Komödie, sagt Ade, sondern Toni mache sie. «Immer wieder gibt es Momente, in denen er und Ines sich angucken und überlegen: Wie gehts jetzt weiter?»
Dann erzählt der Film von der Performance, die vom Selbst nicht zu trennen ist: als improvisierte Clownerie und Verkaufsrede vor Publikum, und allgemein als stets zu optimierende Arbeitsleistung. Als Vorführung, mit der man zugleich sein Gegenüber vorführt. Und als Verwandlung, dank der man sich vor den anderen verweigern, aber auch einen Proberaum aufziehen kann, in dem es möglich wird, Dinge umzustürzen – und man aus dem falschen Gefühl, das in einem Kitschlied steckt, doch wieder so etwas wie ein echtes Gefühl machen kann. Je mehr der Vater sich in sein Rollenspiel steigert, umso mehr wirft Ines ihre Hülle ab. Er kommt so ihr näher und sie sich selbst. Aber was sie da findet, ist kein wahres Ich, sondern das Widerstandsprogramm aus ihrer eigenen spiegelglatten Welt des Managerdenkens.
Maren Ades Intelligenz ist gar nicht geerdet, sondern schwindelerregend: So viele Loopings kann nur drehen, wer das Kino als offenen Raum denkt. Dass sich jeder darin bewegen kann, das macht diesen Film so gross.